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So feierten unsere Großeltern Weihnachten

von Sebastian Pokojski (Text & Fotoreproduktion) Christine blickt auf das Foto auf ihrem Wohnzimmertisch: „Da hatten wir vielleicht einen krummen Baum!“ und lächelt. Die gebürtige Wienerin hatte ihre Kindheit in Österreich verbracht und ist mit 18 Jahren zu Verwandten nach Recklinghausen ausgewandert und lebt hier immer noch. Mit strahlenden Augen erzählt sie von den Weihnachtserinnerungen in der Millionenstadt nach Kriegsende in den 50er Jahren. „Meine Mutter hat schon im September mit den Einkäufen für Weihnachten begonnen.“ Und wie der windschiefe Tannenbaum in die Wohnung an der Kohlgasse gefunden hatte, erinnert sie sich noch genau: „Unser Großvater Stanislaus ist mit uns, wie jedes Jahr, am Vormittag des Heiligen Abends im Schnee und bei Kälte durch den 5.Bezirk (Wien ist in 23 Bezirke aufgeteilt), also Margareten, gelaufen. In einigen Parks waren Verkäufer, die Bäume angeboten haben. Nachdem wir den Baum ausgesucht haben, wurde er verschnürt und von meinem Bruder und Großvat

Merle und Morle

von Dirk Hoffmann Die Geschichte von Merle und Morle begann an einem kalten Abend im ausgehenden November. Merle war vor wenigen Tagen elf Jahre alt geworden. Sie sah aus dem Fenster und betrachtete den starken Regen, der vom Himmel stürzte. Alles war nass, die Straße vor dem Haus erinnerte an einen Fluss. Große Tropfen schlugen gegen die Scheibe, dass es nur so knallte. Gerne hätte Merle draußen gespielt, aber das Unwetter ließ es auf keinen Fall zu. Seufzend schaute das Mädchen auf die Straße. Die wenigen Blumen, die es im Mutters Vorgarten noch gab, ließen die Köpfe hängen. Noch vor wenigen Wochen hatte dort alles prächtig geblüht. Jetzt sahen die Beete trostlos aus. Bewegt sich da zwischen den traurigen Blumenresten nicht etwas? Merle war sich sicher, einen kleinen weißen Kopf mit leuchtend blauen Augen gesehen zu haben. Da ist jemand hilflos dem Regen ausgeliefert, dachte sie. Wer immer das auch war, musste unbedingt gerettet werden. Schnell kramte sie ihren Regenmantel aus dem

Türchen 24

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Mittlerweile war es Zeit für die Bescherung. Bo und Lisbeth gingen voraus in die große Halle, und baten die anderen, erst die Tür aufzumachen, wenn ein Glöckchen klingelte. Lisbeth und Bo zündeten die Honigkerzen an und schalteten die Lichterketten ein. Nach ein paar Minuten strahlte der wunderbar geschmückte Baum im Licht seiner Kerzen. Lisbeth klingelte heftig mit dem Glöckchen. Soames öffnete langsam die Tür und staunend blinzelten Lisbeths Gäste in den Kerzenschein. Auf Zehenspitzen gingen sie hinein – einer nach dem anderen, erst Alicia, dann Ma und Pa, danach Soames, danach Etta und der Doktor. Miss Mouse schob die staunenden Flocken vor sich her, neben Ernest trippelte Tantchen und ganz am Schluss krochen Petrowka und Suschkowa so langsam herein, dass die Kerzen schon fast abgebrannt waren, als sie endlich unter dem Baum ankamen. Lisbeth drückte jedem das für ihn bestimmte Päckchen in die Hand, und als sie es Bo in die Hand d.h.

Türchen 23

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Oh Tannenbaum, danach Schneeflöckchen, Weißröckchen, dann das unvermeidliche Jingle Bells und er klapperte mit dem Rührlöffel im Gusseisentopf dazu den Takt. „Das ist singheulen!“ protestierte Soames und hielt sich die Ohren zu. Lisbeth und die Flocken trällerten begeistert mit. „Und wann klingelt das Glöckchen?“ Etta hatte Zuflucht bei Ma und Pa genommen und war in Mas Arme gekrochen. „Wenn wir die Suppe gegessen haben, Schatz!“ Ma wiegte sie in ihren starken Armen hin und her. Bo rief alle zu Tisch. Der war riesig, im zweiten Salon aufgestellt und bot allen 21 Personen ausreichend Platz. Lauter „Ohs“ und „Ahs“ erklangen. „Sieh doch die vielen kleinen verschneiten Tannen! Und da, die Hirsche! Und so viele Kerzen brennen!“ Der Tisch war wunderbar anzusehen. Irgendwo kam leise Weihnachtsmusik her. „Das sind unsere Pferde, die auf ihren Flügeln spielen. So wie Grillen und Heupferdchen...“ erklärte Lisbeth. „Höchst, höchst wunder

Türchen 22

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Beide küssten und herzten Etta. Soames räusperte sich. „Im Salon ist noch ein Besuch.“ Bo wirbelte zur Tür und öffnete sie einen Spalt. „Du meine Güte!“ Lisbeth warf ein Blick hinein. Was sie sah, ließ ihren Blick aufleuchten. Mit offenen Armen eilte sie zu einem Sessel, in dem eine sehr kleine, alte Frau saß. Es war die mit den wirren, weißen Haaren und der Pilotenbrille, die sie jetzt ins Haar geschoben hatte. Auf ihrem Schoß saßen gemütlich zwei Hainschnirkelschnecken, die zusammen in einem Bilderbuch schmökerten, jede so groß wie eine Tasse. „Hallo, meine Liebe! Ich habe dich vorhin gar nicht erkannt!“ Lisbeth strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „So ein toller Rennschlitten! Und das in deinem Alter!“ „Wenn man sich nicht sportlich betätigt, wird man nicht 101 Jahre alt“. Lisbeth drehte sich zu den anderen herum, die mit verblüfften Gesichtern im Kreis um sie herumstanden. „Das ist meine heiß geliebte Uromi! Die allseits

Türchen 21

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Durch den märchenhaften Schnee, mit klingenden Glöckchen der Pferde, mit Pelzen und wollenen Decken warm eingepackt. Durch weißbestäubte Tannen- und Fichten Wälder, vorbei an stillen Seen, auf denen das Eis glitzerte. „Hach, wie romantisch!“ Herr von Trondheim bibberte vor Vorfreude. „Alle einsteigen!“ Bo half jedem in den Schlitten. Dann winkten alle Soames und den beiden Katzen zu, die zu Hause blieben. Die Pferde zogen an und schnell ging es über Eis und Schnee. Doch schon um die nächste Biegung kam ihnen ein Superrennschlitten entgegen. Chromblitzend, mit riesigem Auspuff röhrte er auf sie zu. Die Pferde scheuten und legten die Fledermausflügel an. Bo hatte Mühe, sie auf dem Weg zu halten. Beide Gefährte kamen nebeneinander zu stehen. Der Motor des Rennschlittens blubberte und aus dem Auspuff quollen dicke Rauchwolken. „God Jul und eine recht frohe Zeit!“ Die Stimme unter einem Wirrwarr von weißen Haaren krächzte. Die Augen

Türchen 20

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) „Hm, Hm, Hm!“ Lisbeth räusperte sich. Die Zeitung stand still in der Luft. „Würde es dir was ausmachen, Bo, wenn…?“ Sie hatte sie noch nicht ausgesprochen, da brauste und sauste es um sie herum wie ein Sturmwind. Im Nu waren die Lichterketten befestigt, im Nu die großen gläsernen und weißen Kugeln an Ort und Stelle und es sah fast so aus, als hüpften sie von allein an ihre Plätze. Atemlos reichte ihr Bo das Kästchen mit den weißen Kerzen. „Die machst du dran!“. „Meine Güte, hast du ein Tempo.!“ murmelte sie bewundernd. „Ist so meine Art, Schätzchen.“ Vorsichtig brachte Lisbeth eine Honigkerze nach der andern an. Es waren fast 100 Stück. Dann war alles getan. Bo machte zur Probe die Lichterketten an und staunend standen sie davor. Der Baum war eine einzige Pracht. Mittlerweile war die Sonne aufgegangen. Bo löschte das Licht und schloss die Tür hinter sich ab. „Jetzt essen wir erst mal einen Happen!“ Bo wirbelte voraus und ra

Türchen 19

  von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) „Na, das kann ja heiter werden! Ich dachte, du wüsstest immer, wo du hinfliegen sollst!“ Keine Antwort. „Wer war denn da, und hat dir den Brief abgenommen?“ schmeichelte Lisbeth. Tantchen öffnete ein Auge und machte den Schnabel auf... „Na siehst du, du weißt es doch“… Und wieder zu. Lisbeth bebte, vor Kälte oder vor Ärger oder vor beidem. Enttäuscht ging sie wieder ins Bett. „Na schön, du willst nicht reden! Was gebe ich dumme Pute auch einen Brief an eine närrische Brieftaube, die nicht reden mag… die nie reden mag !!“ Wütend schloss sie die Augen und dachte nach. Wer hatte da geantwortet? Wer würde da kommen und wenn, wie viele? Und darüber grübelte sie und schlief sie wieder ein. Nach einer Stunde war sie hellwach. Draußen wurde es dämmrig. Sie hüllte sich in ihren Morgenmantel und ging in die Halle, um die Weihnachtstanne zu begutachten. Bo hatte einen guten Geschmack. Der Baum hatte die perfekte Größe und war wunderbar

Türchen 18

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) „Wie wunderbar, wie wunderbar!“ rief Herr von Trondheim ins tanzende Gewühl. Auch seine Augen glänzten. Dann war der Sirtaki zu Ende und es kamen Berichte vom Lande. Lisbeth füllte jede gereichte Schale mit dicker, cremiger Suppe und bat Bo, doch auch Soames und Miss Mouse je eine große Schale sozusagen „schnell wie der Wind“ zu bringen. In Windeseile hatte er den Auftrag erledigt. Und dann saßen alle um den großen, runden Eichentisch und schlürften und pusteten. Während die Ansagerin im Radio die Schweinepreise verlas und von Rekordernten bei Kürbissen berichtete, erzählte Herr von Trondheim, wie ihnen trotz geringer Größe solch ein Festmahl gelungen war. Etta hatte mit einer Gießkanne Wasser in den Suppentopf gegossen und das Gemüse aus dem Vorratskeller geholt. Er schwärmte immer wieder von „seinen Kindern“ und kitzelte eine Chiara nach der anderen durch. So wurde es Schlafenszeit. Bo und Lisbeth brachten alle neun Kinder ins Bett

Türchen 17

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Lisbeth schob ihm die Medizin erneut in den Mund. „Das ist Boreas, der Wind. Genannt Bo. Ist doch klar, Wind kann man nicht sehen! Oder?“ „Wir müssen zurück zu den Kleinen!“ ließ Bo sich vernehmen und schon schlug die Tür hinter ihm zu. „Na dann, viel Spaß miteinander!“ Lisbeth gab Miss Mouse die Hand und flog hinterher. Miss Mouse schaute indigniert zur Tür. Dann schloss sie ihre grünen Augen und schnurrte. Das war das Beste für ihre Patienten, das Schnurren. Schon während sie näher kamen, ertönte laute Musik. Es hörte sich wie irgendeine Polka oder wie ein Sirtaki an. Und dazwischen quietschten grauenvolle Töne.  Als sie die Küche betraten, hing am Kamin über dem Feuer ein großer Suppentopf und Herr von Trondheim an einer der Ketten und warf Gemüse hinein. Auf dem Küchentisch lagen die Schalen von Kartoffeln, Lauch, Zwiebeln, Zucchini und Kürbis. Das uralte Röhren -Radio plärrte einen Sirtaki und die Flocken tanzten auf all

Türchen 16

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Und ein, zwei Spinnenbeine.“ Sagte Bo aufs Gerade wohl. „Miss Mouse“ fügte er hinzu. Das fand ihre Gnade. Sie nahm eine Karamelle und probierte. Derweil hievten Bo und Lisbeth Soames mit Ächzen und Stöhnen in Sitzposition mit vielen Kissen hinter seinem Rücken und ordneten seine Beine. „Mir ist so schwindlig von den vielen Katzen und Mäusen!“ Soames stöhnte und hielt tapfer die Augen geschlossen. „Lisbeth!“ Bos Stimme klang entrüstet. „Nun mach schon!“ Lisbeth zuckte mit den Achseln. Dann kreuzte sie ihre Füße, steckte beide Zeigefinger in die Ohren und sagte nur ein Wort: „Mutaborit!“ Nichts geschah. Verblüfft schaute sich Lisbeth um. „Herrje! Ich habe das Wort wohl nicht richtig...“ Sie kratzte sich am Kopf. „Tja, auf ein Neues!“ Erneut stellte sie sich in Positur. Dieses Mal lautete das Wort: „Mutaborimus!“„Du kannst die Augen wieder aufmachen, Soames und du auch, Lisbeth! Alle Spiegel sind verhängt!“ Bo’s Stimme klang ech

Türchen 15

  von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) „Ich habe den Tannenbaum für die Halle mitgebracht. Es ist der schönste von denen, die ich umgepustet habe!“ Er und Lisbeth liefen durch die endlosen Korridore. „Eigentlich könntest du dir auch mal so einen Doppeldeckerbus anschaffen wie Doktor Schleichleise!“ seufzte er. „Mein Gott, mir qualmen schon die Füße!“ „Ich sehe nichts von Qualm und er heißt Leiseschleich!“. „Ist auch egal! Schleichen tut er, egal wie rum!“ Lisbeth flog mehr, als dass sie lief, auch wenn ihre Fledermausflügel recht klein waren. „Wieso hast du eigentlich Fledermausflügel und keine richtigen?“ „Das ist eine lange Geschichte, Bo. Wenn wir das nächste Mal Staub weg pusten im Schloss, erzähle ich sie dir.“  Bo pfiff vor Vorfreude vor sich hin und die Teppichläufer vor ihnen in den Korridoren kräuselten sich vor Vergnügen.  Sie waren angekommen. Das Pferd Soames lag mit verdrehten Beinen und hustend im Bett. Im Raum huschten Mäuse herum. „Jetzt stellt der D

Türchen 14

  von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) So war er nun mal, der liebe Soames. Doktor Leiseschleich machte Anstalten, zu seinem roten Doppeldeckerbus zu gehen, der draußen im Gang parkte. (Übrigens, ein echtes Liebhaberstück, wie der Autoverkäufer ihm versichert hatte.) „Was? Bekomme ich keine Medizin?“ Soames zitterte immer noch unter den schweren, luxuriösen wollenen und seidenen Bettdecken. „Ich schicke Ihnen eine Schwester. Schwester Mouse. Die veranlasst alles Weitere.“ Und mit diesen Worten schlich Doktor Leiseschleich, seinem Namen alle Ehre machend, hinaus zu seinem Bus. Freudig streichelte er das Lenkrad. Er hätte lieber Automechaniker werden sollen. Soames seufzte. Katzen! Pah! Und dass ihm! Ihm, dem vom englischen Hochadel der Rennpferde von Aston abstammenden! Was konnte man schon von Katzen erwarten? Nichts, nichts, und noch mal nichts! Dieser Doktor hatte ja nicht mal Stil! Er versuchte sich im Bett umzudrehen und brachte dabei seine vier Beine dur

Türchen 13

   von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Tantchen nickte kollernd. So närrisch sie auch war, sooo närrisch war sie denn nun auch wieder nicht, dass sie nicht gewusst hätte, wohin und zu wem sie fliegen sollte. Lisbeth war das ein Rätsel. Ein unlösbares noch dazu. Das war allein Tantchens Geheimnis. Und vielleicht das aller Brieftauben. Nachdem Tantchen vom Puderzucker gekostet hatte, flog sie sofort los. „Das ist erledigt!“ Lisbeth seufzte. „Noch zwei Tage bis zu meinem Fest. Wie soll ich…“ Ihr Blick glitt zu Boden. „Da ist ja alles nass! Was spielt ihr denn da?!“ Die Acht kamen eins nach dem anderen hervorgekrochen. Lisbeth schaute lange in ihre kleinen betretenen Kristallgesichter und auf die Wasserpfützchen zu ihren Füßen. Während dessen hatte Doktor Leiseschleich seine Diagnose gestellt. Er hatte Soames‘ Augenlider angehoben und nach einem Blick auf das Weiße in seinen Augen und auf seine roten Nüstern sprach er folgendes in sein Diktaphon: „reguläre Sinusitis mit max

Türchen 12

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Währenddessen hatte Etta mit den mutiger gewordenen Flocken Fangen und Knickern gespielt; und die Hustenkaramellen qualmten und schmorten im Ofen vor sich hin. Das sollten sie eigentlich nicht. Aber es passte ja niemand auf sie auf. Erst als Herr von Trondheim laut nach der Feuerwehr rief, erschien Lisbeth wie der Blitz in der Küche. Alle acht Flocken hatten sich mit Etta unter dem Küchenschrank verkrochen und machten die Augen zu. So waren sie gar nicht mehr da. Dachten sie jedenfalls. Herrn von Trondheims Augen blitzten und sein großer Schnurrbart zitterte vor Aufregung. „Das hätte...das hätte...übelst..., ich sage, übelst... übelst...“  Lisbeths Augen glitzerten ebenfalls. „Ruhe jetzt! Alle mal Ruhe!“ brüllte sie. Vor Schreck hörten sogar die Bonbons auf zu qualmen und alle unterm Küchentisch kniffen noch mehr die Augen zu. Herr von Trondheim blieb der Mund offenstehen! „Machen Sie den Mund zu, Ernest! Es zieht!“  Lisbet

Türchen 11

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Etta setzte eine nach der anderen auf dem Boden. Da standen sie nun herum, die Acht. Und um ihre Füßchen sammelten sich Wasserpfützen und sie schauten furchtbar verlegen. Soames nieste. Erschrocken stoben alle davon, unter die Schränke. Soames nieste noch einmal. Lisbeth schaute ihn sorgenvoll an. „Besser wäre es, ich steckte sie ins Bett, oder?“ Sie fasste ihn am Halfter und zog ihn hoch und mit sich. „Kommen Sie mal mit!“ Während sie endlos scheinende Gänge vorausging, schlich Soames zähneklappernd hinter ihr her. Endlich kamen sie in einen großen Saal mit lauter Spiegeln an den Wänden und lauter großen Himmelbetten. Das arme Pferd wusste nicht, wo es zuerst hinschauen oder hingehen sollte. Überall dasselbe Bett, überall Lisbeth, überall Pferde…  Soames weigerte sich weiter zu gehen, denn zu allem Überfluss traten jetzt auch noch schwarz-weiße Katzen in weißen Kitteln aus den Türen. Soames stöhnte und schloss die Augen. Das war

Türchen 10

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Lisbeth holte geschwind Butter, Milch, Zucker und Honig aus den Schränken und begann alles zu verrühren. „Ihr beide tragt ja Glöckchen!“ Sie lachte und zeigte mit Puderzucker bestäubtem Finger auf Ettas und Soames’ Zöpfe. Etta nickte ernsthaft. „Solange sie klingeln, sagt Papa, zeigen sie uns den Weg zu deinem Haus und zurück, sagt Papa!“ „Soso, sagt er das?“  Lisbeth wunderte sich. Wieso und woher? Und wo tut ihr die hin?“ Etta war echt interessiert. „Du hast Fragen!“ tadelte die Petrowka... „Die sind uns in unserem ganzen langen Leben noch nie gestellt worden!“ „Aber irgendwo müsst ihr die ja hintun, wenn ihr die gesammelt habt!“ Etta wandte sich entrüstet an Lisbeth. Plötzlich klang es gurrend von oben:“ Ich weiß es, ich weiß es! Aber ich verrate es nicht!“ Lisbeth legte den Zeigefinger auf den Mund und verdrehte die Augen. Etta verzog sich schmollend in die andere Ecke des Raumes. Den Daumen im Mund besah sie Alicia.

Türchen 9

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Das edle Pferd hüstelte vornehm und trat ein. Es sprach durch die Nase. „Gestatten, Soames. Soames von Tivoli!“ Es hüstelte erneut und blähte seine Nüstern. „Er braucht dringend Hustenbonbons, Lisbeth!“ Etta versuchte Soames ihren Schal um den Hals zu legen. Lisbeth half ihr dabei. Aber der Schal war zu klein, weil Soames so groß war.  „Ich brate Ihnen jetzt Hustenkaramellen, Soames. Aber zuerst setzt ihr euch hierhin!“ Lisbeth schubste eine große, geblümte Couch heran und Soames setzte sich vorsichtig auf sein Hinterteil. „Herrje! Sie haben ja auch ganz kalte Hufe!“ Soames hatte seine vier langen Beine so geschickt verknotet, dass jetzt alle vier Hufe hübsch beieinanderstanden. - Fortsetzung folgt -

Türchen 8

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) So verging eine Woche und noch eine. Jeden Abend spielte Lisbeth mit der närrischen Taube – genannt Tantchen – und dem Wind Bo Monopoly. „Wie machst du das nur immer, Tantchen? Du gewinnst immer!“ Lisbeth maulte und besah resigniert ihre Karten. Tantchen warf sich in ihre taubenblaue Brust und kicherte. Zu mehr war sie nicht fähig: kichern und gewinnen. „Ich habe keine Lust mehr!“ heulte Bo. „Ich gehe jetzt schlafen. Morgen muss ich wieder arbeiten!“ -Tagsüber backte Lisbeth weitere Weihnachtskuchen und schmückte das Schloss mit Herrn von Trondheim für das große Fest. Herr Von Trondheim liebte Lametta und verteilte es an den unmöglichsten Stellen wie zum Beispiel an Ofenrohren und i Toilettenschüsseln. Lisbeth hatte es aufgegeben, mit ihm zu diskutieren. Sie hängte große Schneesterne auf und silberne Weihnachtskugeln und band Tannen und - Kiefernzweige zu langen Girlanden, die sie um alle Treppengeländer schlang.  Und davon gab e

Türchen 7

   von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Meine Wenigkeit ist mit den Knilchen verwandt. Und zwar mit Tasso von Wiesbarka. Das ist ein Knilch! Ein Prachtkerl! Zwei Köpfe größer als ich, und so breit, dass er zwei Kaninchen in der Armbeuge quetschen kann! Ich weiß, wovon ich rede!  Ich hatte einst das Vergnügen!“ Trondheim seufzte und… schwieg. Es war so still, dass man Schafe hätte zu Boden fallen hören können. Etta ruckelte gelangweilt auf ihrem Stuhl hin und her.  „Das ist alles?“ nörgelte sie. „Das ist ja sterbenslangweilig!“  Lisbeth grinste. Von Trondheim paffte verärgert so schnell, dass die Rauchwölkchen jetzt ebenso rasch aus seiner Pfeife quollen wie bei einer kleinen Dampflok in Fahrt.  „Das sind ja Perlen vor die – Verzeihung – Säue! Noch nie was von Spannung gehört?“ blaffte Herr von Trondheim zwischen den Zügen. Die Pfeife kam schon gar nicht mehr nach mit dem Produzieren von Qualm. Von verärgertem Qualm – um genau zu sein! „Und? Will ich auch nicht! Das is

Türchen 6

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Die freundliche Gastgeberin ist Dir ja wahrlich nicht auf den Leib geschnitten!“ „Ich weiß, ich weiß, Ernest! Dir der nette Gast auch nicht!“ „So streitet euch doch nicht!“ sagte Etta. „Wie klug das Kind doch ist, Lisbeth! Man könnte meinen: eine Nichte von mir.“ Der kleine Mann zog eine winzige Pfeife aus seiner Jacke und begann sie zu stopfen. „Nein? Wie schade!“ Er schaute zwischendurch sehnsüchtig die Schokoladenkanne an, so lange, bis Lisbeth seufzend aufstand und aus ihrem Nähkorb einen Fingerhut aus Porzellan holte. Sie füllte ihn mit Schokolade. Dazu legte sie eine kandierte Kirsche. Das Männchen paffte freudig winzige Rauchwölkchen an die Zimmerdecke.  Du siehst aus wie ein Räuchermännchen!“ Etta kicherte. „Ich bin aber keins! Kennst du übrigens die Geschichte, die mir neulich passiert ist?!“ Lisbeth hob augenrollend den Blick zu den Wölkchen, die sich unter der Decke lustig ringelten. Doch es half nichts. Herr v

Türchen 5

  von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Ein bisschen tiefer könntest du ja den Klingelzug schon hängen, Lisbeth. Allein wegen meiner Kleinigkeit, Haha Hehehe! Nichts für ungut! Ein gelungener Scherz, was? Naja, lacht mal wieder keiner mit! Humorlos geht der Mensch zu Grunde, sagte mein Großvater selig immer. Hat er nicht recht? Doch! Hat er! Hat er, das muss man ihm lassen. Wo er recht hat, hat er recht. Weswegen bin ich denn gekommen, Lisbeth? Du bringst mich aber auch immer durcheinander durch dein dauerndes Reden, Lisbeth! ... Ahh, wen sehe ich denn da? …“ „Du siehst gar nichts, Ernest, denn du hast deine Brille nicht auf. Und wenn du nicht sofort und auf der Stelle aufhörst zu quasseln, setze ich dich wieder vor die Tür! Ist das klar, Ernest? Ob das klar ist?“ Bei den letzten Worten spurtete Lisbeth hinter Ernest her, der schon wacker auf dem Weg zu Etta war. Jetzt sah ihn Etta auch: Ein Männchen, so dünn wie der Zeigefinger ihrer Ma und genau so groß! Unglaublich, welch

Türchen 4

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Die können keine anderen legen.“ „Nein?“ Lisbeth schüttelte energisch den Kopf. „Ja dann…!“ Etta sah sorgenvoll aus, nahm aber das Körbchen. Besser bemalte, als gar keine Eier nach Hause bringen.  In diesem Moment sprang etwas dumpf - erst einmal, dann noch einmal, dann ein drittes Mal an die Haustür. Danach ertönte die Klingel. Lisbeth ging die Tür öffnen. Etta sah hinterher. Herein kam offensichtlich niemand. Sie konnte keine Menschenseele erkennen. Jedoch sprach jemand ununterbrochen wie ein Wasserfall. „Wie der Wasserfall von Lillesand „sagte ihre Ma immer. „Na, wie war ich Lisbeth? Wie war ich? War ich nicht gut? Ich war gut, was? Ist gar nicht so schwer! Anlauf nehmen – sage ich immer und hoch die Beine! Und noch einmal Anlauf -und hoch die Beine! Dann klappt es schon! - Fortsetzung folgt -

Türchen 3

  von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Beide tranken schweigend ihren Kakao. „Habe ich dir schon erzählt, woher ich den Kakao habe? Nein?“  Lisbeth senkte die Stimme. Hinter vorgehaltener Hand flüsterte sie: „Den hat mir ein Elch vorbeigebracht.! „“ Etta sperrte die Augen auf. „Echt?“ „Ja! Er hat ihn dem Förster abgejagt, sagte er mir. Der hätte ihn über Stock und Stein gescheucht und da wäre es ja nicht mehr als recht, wenn er ihn dann auch jage! Hat er auch recht, oder?“  „Mmmmmh!“  Etta nickte mit vollem Mund.  Lisbeth hatte ihr Datteln hingeschoben.  „Danach wusste er nicht, was er mit dem dunklen Puder anfangen sollte. Zur Fellpflege taugte es nicht, als Baby-Elch-Puder auch nicht – also hat er es mir vorbeigebracht. Ich kann ja fast alles gebrauchen!“  Lisbeth machte mit einer Hand einen weiten Bogen um sich herum. Etta folgte der Hand mit den Augen und nickte mit Kennerblick. „Und du? Du wolltest also Eier bei mir holen? Wie viele brauchst du denn?“ Etta reckte beide

Türchen 2

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Die kleine Gestalt trabte folgsam hinter Lisbeth her in die Küche. Auf einem Tisch standen Schüsseln mit Rosinen, kandierten Kirschen, gezuckerten Orangenstückchen, Kandisbrocken, Datteln und Mandeln. Lisbeth holte die Kakaokanne aus dem Schrank. Auf deren Deckel saßen zwei kleine Bärchen vor einem Schachbrett. Die Kanne war rosa, die Bärchen ebenfalls. Lisbeth goss zwei Tassen voll. Die heiße Schokolade dampfte in den Bechern. Das Mädchen wärmte sich vorsichtig die Hände an dem seinen und trank in kleinen Schlucken. Lisbeth rührte derweil die Mandeln, die Rosinen, die Orangenstückchen und Kirschen und die Datteln in den Teig. Danach goss sie diesen in eine runde Form. „Mein Weihnachtskuchen!“ sagte sie stolz „wenn er gebacken ist, kannst du ihn probieren!“ Das Mädchen nickte. Alle seine Zöpfe nickten ebenfalls. „Wie viele hast du davon?“ fragte Lisbeth und zeigte auf die Zöpfe. „Weiß nicht!“ sagte das Kind schüchtern. „Ich kann nur bis

Türchen 1

von Katharina Kumeko ( Text & Illustration) Norwegen ist ein großes, weites Land im Norden. Voll von tiefen, dunklen Kiefer- und Tannenwäldern  und voller glitzernder eisblauer Seen. Keine Menschenseele wohnt dort. Nur in den Städten - und die sind weit weg.  In einem dieser Wälder – im nördlichsten – wenn man genau sein will, wohnte Lisbeth. Ihr Haus hatte Türmchen, Erker und vier Kuppeln. Die Dachziegel auf ihnen waren blau und gelb. Unter der Türschwelle wohnte außerdem noch ein mürrischer Wicht, ein sehr kleiner aus der Familie der Kobolde. Des Weiteren beherbergte Lisbeth eine närrische Taube und ab und zu den Wind, wenn er sich schlafen legen wollte.  Eines Morgens nun, die Sonne war gerade an einem blank geputzten, eisblauen Himmel aufgegangen, klopfte es zaghaft an Lisbeths Tür. Verwundert hielt Lisbeth inne. Eigentlich hatte sie ja einen Klingelzug angebracht mit einer dicken, unübersehbaren Quaste und ein Schild an der Tür. Darauf stand: Bitte nicht klopfen! Und darunter