Die Weihnachtsfee

von Dirk Hoffmann

Teil 2

Der Schneefall nahm zu. Binnen kurzer Zeit war wirklich alles mit einer weißen Decke überzogen. Kathi fand es einfach herrlich. Ob der Schnee schon genügte, um einen Schneemann zu bauen? Das musste sie unbedingt versuchen. Eifrig begann Kathi die erste Kugel zu rollen. Schon bald stand ein beachtlicher Mann aus drei weißen Kugeln vor ihr. Was noch fehlte war das Gesicht. Zwei kleine Steine für die Augen waren schnell gefunden. Ein kleiner krummer Stock machte sich gut als Mund. Fehlte nur noch eine Nase. Bei diesem Gedanken stieg ihr der Geruch von Mutters frisch gebackenen Plätzchen in die eigene Nase, der aus dem geöffneten Küchenfenster nach draußen gelangte.
„Willst du nicht doch ein paar Plätzchen?“ Andreas sah aus dem Fenster und schwang ein Vanillekipferl wie eine Trophäe in seiner Hand.
„Ja sicher. Lass mir bloß etwas übrig“, rief Kathi.
„Mama sagt, du sollst hereinkommen, es wird bald dunkel“, sagte Andreas schmatzend.
„Ja ich komme gleich“, erklärte Kathi, „ich brauche bloß noch eine Nase“.
Andreas, der den Schneemann durchaus bemerkt hatte, warf ihr eine Karotte zu.
„Das dürfte genügen“.
„Danke Andreas, das ist prima“.
Kathi gab ihrem Schneemann seine Nase. Es schneite noch immer.
„Danke liebe Weihnachtsfee, für so viel Schnee“, frohlockte sie und lief ins Haus.

ONsüd-Archiv-Bild: Eric Behrens
Die Weihnachtsfee sah Samira erwartungsvoll an. Die Schneeeule ließ sich Zeit. Sie kostete es aus, dass sie in diesem Moment, das meistbeachtete Tier im ganzen Wald war. Das Pferd hob schnaubend den Kopf. Die Fee strich ihm mit der Hand über den Hals.
„Möchtest du mir etwas erzählen, Samira“, wandte sie sich an die Eule.
„Na, deswegen habe ich dich wohl gerufen“, erklärte die Eule, „es gibt ein sehr vielversprechendes Menschengeschöpf, dass allem Anschein nach, wirklich an dich glaubt“.
„Dein letzter Ruf ist lange her. Ich begann schon die Hoffnung zu verlieren. Die Menschen haben sich weit von uns entfernt. Meine Kräfte schwinden“.
„Dieses Mädchen wird dich stärken. Ihr Glaube an dich ist außergewöhnlich. Und sie verlangt nicht viel dafür. Du kannst dir nicht vorstellen, wie dankbar sie allein schon für das bisschen Schnee gewesen ist“.
„Du bringst mir schöne Nachrichten“.
Die Weihnachtsfee lächelte zufrieden. Sie blickte auf den Schnee, der inzwischen den kompletten Wald in ein weißes Tuch gehüllt hatte.
„Erzähl mir mehr von ihr. Ich möchte wissen, wer sie ist“.
„Sie heißt Kathi“, erzählte Samira, „ist vielleicht acht oder neun Jahre alt und ziemlich aufgeweckt. Einen älteren Bruder hat sie, ich fürchte, der glaubt nicht an dich. Von den Erwachsenen in ihrem Haus ganz zu schweigen. Aber ihr Glaube ist unumstößlich. Sie hat in Windeseile eine Schneefigur gebaut. Ihr fröhliches Gesicht würde dir sicher Freude bereiten. Übrigens, sie wünscht sich, dich zu sehen“.
„Sie wünscht sich, mich zu sehen, ist das wahr?“
„Das hat sie jedenfalls gesagt, so wahr ich hier sitze“, verkündete Samira und plusterte ihr Gefieder auf.
„Ich bin froh Samira, danke für deine gute Nachricht“.
„Stets zu Diensten, Weihnachtsfee“, sagte Samira, sie hatte ihren Kopf bereits ins Gefieder gesteckt.
Die Fee tätschelte ihrem Pferd den Hals und flüsterte ihm zu: „Ich möchte Kathi auch gern sehen“

Mamas Plätzchen waren wie immer Spitzenklasse. Andreas hatte natürlich nicht alle aufgegessen. Kathi aß sie mit Genuss. Die ganze Familie saß am Küchentisch. Aus dem Radio im Wohnzimmer erklang gerade Leise rieselt der Schnee. Kathi dachte an ihren Schneemann und an die Weihnachtsfee.
„Oma Edelgard, liest du mir gleich vor dem Schlafengehen noch einmal die Geschichte von der Weihnachtsfee vor?“, fragte sie. „Aber gerne“, antwortete die Großmutter.

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