Manuel, der kleine Schutzengel
Eine Geschichte von
Dirk Hoffmann
Kapitel 3
Die Halle des Lebens
Es sollte sich herausstellen, dass Manuels Zeit viel schneller kam, als er gedacht hatte. Schon einige
Wochen nach seinem Gespräch mit Mythos.
Wochen nach seinem Gespräch mit Mythos.
Alles begann damit, dass er gerade einen Ausflug zur Erde machen wollte. Inzwischen flog er auch schon ohne seine Schwebewolke. Auch schaute er nicht mehr nur von oben auf die Erde herab, er flog direkt hinunter auf die Erde. Er sauste übers Meer, schwang sich durch Wälder und wollte sich auch bald die Städte der Menschen genau ansehen. Vor Ort war alles noch viel spannender als im Unterricht. Jeden Tag zog es ihn erneut hinaus. Seine Lehrer hatten zu seiner großen Freude den Unterricht verkürzt. Sie waren der Meinung, was ihm jetzt noch fehlte, konnte er am besten direkt dort unten lernen. So konnte er fast jeden Tag zur Erde fliegen. Wie er es eben auch an diesem Tag machen wollte.
Als Manuel gerade die Himmelspforte passieren wollte, spürte er, dass ihm jemand auf die Schulter klopfte. Er wandte sich um und erblickte seinen Lehrer Johannes. Johannes war beinah so groß wie Joseph. Sein Gesicht war sehr schmal und er trug einen Bart, der noch länger war als der von Joseph. „Komm mit mir“, sagte er, „wir müssen etwas sehr Wichtiges besprechen!“
Manuel sah seinen Lehrer fragend an. Als er den Mund öffnete, um zu sprechen, hob Johannes die Hand.
„Gleich“, sagte er nur. Manuel schwieg und setzte sich in Bewegung. Still folgte er seinem Lehrer. Johannes führte ihn in die Himmelszentrale, wo er immer seinen Unterricht erhielt. Doch an den Hallen in denen der Unterricht stattfand ging er vorbei, ohne sie zu beachten. Irritiert aber weiterhin schweigend folgte Manuel seinem Lehrer. Ein merkwürdiges Gefühl befiel ihn. Warum ging Johannes an den Unterrichtshallen vorbei? Wo ging er überhaupt hin? Eines stellte Manuel mit Bestimmtheit fest. Hier, wo sie nun entlanggingen, war er noch nie gewesen. Sie folgten einem langen Gang. Rechts und links waren nur Nebelschwaden zu sehen. Bald tauchte vor ihnen ein Tor auf. Ein großes silbernes Tor, dessen Flügel mit großen Herzen verziert waren. Vor diesem blieb Johannes stehen und berührte es mit der Hand. Ohne irgendein Geräusch zu verursachen, öffnete sich das Tor. Eine riesige Halle wurde sichtbar. Johannes trat ein. Manuel folgte ihm.
Die Halle wurde von hunderten von Kerzen erleuchtet. Es war ein einziges Lichtermeer. Manuel kam aus dem Staunen gar nicht heraus. In der Mitte war eine große, runde Tafel. An dieser Tafel saßen etwa dreißig Engel. Einer der Engel erhob sich, als man die Ankömmlinge bemerkte. „Willkommen“, sagte er, „herzlich willkommen in der Halle des Lebens!“ Es war ein sehr alter Engel, mit sehr großen Flügeln. Viel größer als die von Joseph oder Johannes. Im Gegensatz zu den meisten anderen Engeln trug dieser keinen langen Bart. Sein Gesicht zierte nur ein Schnurrbart. Er trug ein silbernes Gewand. Dieses Gewand ließ ihn sehr würdevoll erscheinen. Mit erwartungsvollem Blick sah er auf Johannes und Manuel.
„Guten Tag, ehrwürdiger Matthias.“, sagte Johannes ruhig und verneigte sich, „ich grüße den Ältestenrat. Ihr habt nach uns geschickt?“. Joseph deutete auf Manuel und fuhr fort, „Dies ist Manuel. Er ist ein guter Schüler. Seine Ausbildung geht gut voran. Im Augenblick studiert er sehr fleißig die Erde…“
„Das ist uns bekannt Johannes“, unterbrach ihn Matthias, indem er die Hand hob, „eben deshalb müssen wir mit euch sprechen! Hallo Manuel“, jetzt blickte Matthias zu Manuel. Er sah ihm direkt in die Augen. Ein Lächeln durchzog sein Gesicht als er bemerkte, dass Manuel vor Aufregung zitterte. „Wir wollen erst einmal von vorn anfangen! Manuel, hast du eine Vorstellung wo wir gerade sind?“ Unsicher starrte Manuel Matthias an, wagte kaum sich zu rühren. Auch wusste er nicht was er sagen sollte. Matthias blieb dies nicht verborgen. „Ich sehe, du weißt es nicht. Das ist aber gar nicht schlimm. Du kannst es wohl auch kaum wissen“, sagte er behutsam und trat näher an Manuel heran. „dies hier ist die Halle des Lebens.“, sprach er erklärend weiter, „all die Lichter, die du ringsherum siehst, symbolisieren die vielen Lebewesen, die es gibt. Die Herzen auf dem Tor, du hast sie sicher gesehen, die Herzen stehen für das Leben selbst“. Nun deutete Matthias auf die Tafel, an der die Engel saßen. „Das ist der Ältestenrat. Die weisesten Engel im ganzen Himmelsgewölbe. Ich bin Matthias, der Vorsitzende des Rates. Wir beobachten von hier aus das Leben auf der Erde und auch im Himmelsgewölbe. Wir wachen über das Leben. Deshalb heißt diese Halle Halle des Lebens. In dieser Halle wird entschieden, welche Aufgaben den einzelnen Engeln zugeteilt werden. Aber was viel wichtiger ist, wir entscheiden, wann ein Eingreifen der Engel auf der Erde nötig ist. Wer dort Hilfe braucht und welcher Engel dafür in Frage kommt. Nun, ich glaube das genügt jetzt erst einmal. Ich habe genug geredet. Sag mir, wie geht es dir jetzt? Hast du alles verstanden?“ Die Augen auf Manuel gerichtet, verstummte Matthias. Erwartungsvoll blickte er den kleinen Engel an.
„Ich… ich… ich glaube schon…“, stotterte Manuel. Er war innerlich sehr aufgewühlt. Spürte er doch, dass etwas ganz Großes im Gange war. Und er selbst, war mittendrin.